Künstliche Intelligenz trifft Reibungsforschung
Reibung begegnet uns überall – ob im Motor, im menschlichen Gelenk oder in winzigen technischen Geräten. Trotzdem basiert unser Verständnis von Reibung oft noch auf einfachen, ungenauen Annahmen. Ein Grund dafür ist, dass die physikalischen Vorgänge im Reibkontakt – also dort, wo zwei Oberflächen aufeinandertreffen und sich gegeneinander bewegen – experimentell nur schwer untersucht werden können. Computersimulationen solcher sogenannten tribologischen Systeme, die sich mit Reibung, Schmierung und Verschleiß beschäftigen, können helfen, diese Prozesse besser zu verstehen.
Forschende des Instituts für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun eine neue Simulationsmethode entwickelt, die Reibung auf molekularer Ebene viel genauer beschreiben kann – mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Die Studie wurde unter dem Titel „Active learning for non-parametric multiscale modeling of boundary lubrication“ in der angesehenen Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Die neue Methode verknüpft physikalische Modelle auf unterschiedlichen Längenskalen mit Verfahren des maschinellen Lernens. Dadurch lassen sich Reibungsvorgänge auf kleinster Skala – also auf der Ebene einzelner Moleküle – auch auf große, technisch relevante Systeme übertragen. Das Besondere dabei: Die enthaltenen Modelle verbessern sich mithilfe sogenannter „aktiver Lernverfahren“ selbstständig. Dabei werden automatisch neue Trainingsdaten generiert, welche die Vorhersagen der Modelle kontinuierlich verbessern ohne in spekulative Fehler abzudriften, wie es bei KI-Anwendungen mit zu wenig Daten manchmal passieren kann.
„Wir zeigen, dass man Reibung auf molekularer Ebene sehr realistisch vorhersagen kann, wenn man Künstliche Intelligenz – also maschinelles Lernen – gezielt mit physikalischem Fachwissen kombiniert“, erklärt Prof. Lars Pastewka, Leiter der Forschungsgruppe für Simulationen am IMTEK. Dr. Hannes Holey, Erstautor der Studie ergänzt: „Das ist ein echter Durchbruch. Denn so lassen sich auch sehr komplexe Reibungssysteme, sogenannte Tribosysteme, viel besser verstehen und berechnen – etwa in Motoren, Gelenken oder Präzisionsgeräten. Damit eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten für die Entwicklung reibungsarmer oder besonders effizienter technischer Systeme.“
Das neue Modell wird als bedeutender Fortschritt gesehen, da es datenbasierte Ansätze mit klassischer Werkstoffsimulation verbindet. Diese Kombination aus maschinellem Lernen und physikalischer Simulation eröffnet neue Möglichkeiten, das Materialverhalten unter Belastung besser zu verstehen. Dadurch lassen sich Werkstoffe gezielter verbessern und ihre Lebensdauer erhöhen.
Die Veröffentlichung entstand in einem gemeinsamen Forschungsprojekts des IMTEK der Universität Freiburg und des KIT im Rahmen des Graduiertenkollegs 2450. Die Arbeit vereint Expertise aus den Bereichen Tribologie, Materialsimulation und Künstlicher Intelligenz.
Link zur Veröffentlichung in Science Advances
Kontakt:
Prof. Dr. Lars Pastewka
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK)
Simulation
E-Mail: lars.pastewka@imtek.uni-freiburg.de
Kerstin Steiger-Merx
Referentin PR/Marketing
Technische Fakultät
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-8056
E-Mail: steiger-merx@tf.uni-freiburg.de
18.09.2025